(Fast) Zum Abschluss: noch einmal Chișinău

Ein kurzer Beitrag ganz ohne Photos - Es gibt hier schon viele Bilder von Chișinău, und es hat sich zwar das ein oder andere getan, aber groß sichtbar sind die äußerlichen Veränderungen nicht - und Chișinău ist in unseren Augen immer noch eine schöne Stadt. Ansonsten aber ist heute natürlich vieles sehr anders als noch vor Weihnachten. Und vielleicht ist es ja interessant, ein paar Informationen aus erster Hand aus dem Land zu bekommen, das erst im Februar im kollektiven Bewusstsein auftauchte.

Aber first things first: Der Gedanke, das Sabbathjahr mit einem Besuch am Ausgangspunkt „rund“ zu machen, war schon länger da. Die unsichere Situation nach Ausbruch des Krieges und die Tatsache, dass lange überhaupt keine Flüge direkt nach Moldau gingen, hat uns lange zögern lassen. Von Freund*innen hörten wir, dass man zwar im Prinzip problemlos in eine der rumänischen Grenzstädte mit Flughafen fliegen und dann die restlichen Kilometer fahren könne, aber Abfertigungszeiten von sieben Stunden haben uns abgeschreckt.

Im Juni gab es dann wieder Direktflüge, die Lage schien einigermaßen stabil, und wir entschlossen uns, zu buchen. Air Moldova wirbt damit, von Düsseldorf zu fliegen, aber der Donnerstags gebuchte Flug wurde direkt zwei Tage später wieder storniert. Immerhin konnten wir auf Frankfurt - Chișinău umbuchen, was dann auch gut funktioniert hat.

In Chișinău waren wir von Sonntag bis Mittwoch Nachmittag. In dieser Zeit haben wir diverse Freundinnen und etliche von Christinas Arbeitskolleg*innen (die Gruppen überschneiden sich) getroffen. Interessant war natürlich, aus erster Hand Einschätzungen der aktuellen Situation zu bekommen, und der Krieg war auch bei allen Gesprächen sehr präsent.

Was man schon am Flughafen erkennen kann, ist die Tatsache, dass sich auch in der Republik Moldau die Energiepreise drastisch verteuert haben: Diesel, den wir vergangenes Jahr noch für 20 Lei, etwa ein Euro, gekauft haben, kostet heute etwas über 30 Lei, gut 1,50 Euro - und das bei einem unverändert niedrigen Durchschnittseinkommen von 300 Euro!

Uns wurde berichtet, dass ein Großteil der Bevölkerung fest damit rechnet, im Winter nicht mit Gas heizen zu können. Dementsprechend wird aktuell wie verrückt Holz gekauft, was den Preis entsprechend in die Höhe treibt. Anders als hier ist die Regierung schon wirtschaftlich nicht in der Lage, Unterstützung anbieten zu können.

Fast alle unserer Bekannten berichteten, dass sie nach Kriegsausbruch Flüchtlinge bei sich aufgenommen hatten. Familien mit Kindern, Hunden und Katzen, nicht immer zur Freude der Gastgeber*innen. Aber „Kleines Land mit großem Herzen“ ist definitiv nicht nur ein Werbeslogan.

Alle haben Angst davor, dass das Land selbst noch in den Konflikt hineingezogen werden könnte. Die Risikoeinschätzungen variieren, aber niemand hält es für ausgeschlossen oder auch nur sehr unwahrscheinlich. Odessa ist nah, und erst in den vergangenen Tagen gab es Kriegshandlungen in lediglich 70 km Entfernung von Chisinau.

Freund A hat nach Kriegsbeginn sogar eine Fluchtübung gemacht, hat Notkoffer gepackt und ist mit seiner kleinen Tochter und seiner schwangeren Frau nach Rumänien gefahren, um zu testen, wie lange dies dauern würde. Seine Erzählung darüber ist humorvoll, aber es wird deutlich, wie belastend und real der Krieg hier ist.

Auf der anderen Seite freuen sich die Menschen, mit denen wir zu tun haben, über die Aufnahme Moldaus in den „EU-Kandidaten-Status“. Gut nachvollziehbar, arbeiten doch fast alle, die wir hier kennen, für internationale Organisationen. Im ganzen Land ist die Freude wohl nicht uneingeschränkt. Abgesehen davon, dass schon vor dem Konflikt keine Einigkeit über die Frage bestand, ob man sich eher der EU oder Russland annähern solle, besteht jetzt natürlich die Befürchtung, dass dies jetzt einen Anlass für eine Aggression bieten könnte.

Schwierige Zeiten, und dennoch: Wir haben uns wieder super-wohl gefühlt, wurden wieder einmal sehr, sehr herzlich, haben sehr gut gegessen und tollen Wein getrunken, und hoffen sehr, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft unter erfreulicheren Bedingungen zurückkehren können.

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Pässe, Pässe, Pässe - und das alles (fast) ohne Pass

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